Q11 auf den Spuren der Vergangenheit
Am Mittwoch, dem 21.09.2022 besuchte die 11. Jahrgangsstufe des Amorbacher Gymnasiums im Rahmen des Wandertages das Freilandmuseum in Gottersdorf.
Der Morgen startete am Rippberger Bahnhof mit einer einstündigen Wanderung durch den frühherbstlichen Odenwald. Vom malerischen Ausblick auf die Rippberger Naturlandschaft bestärkt, ließen sich auch die steileren Anstiege der Laufroute problemlos bewältigen.
Nach Ankunft in Gottersdorf konnte die Zeitreise in die frühere, ländliche Lebensweise ohne die heute so selbstverständlichen technischen Fortschritte beginnen.
In Gruppen aufgeteilt durften die Schüler durch informative Vorträge hautnah miterleben, wie der Dorfalltag im Zeitraum zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert aufgebaut war. Aufgaben, wie der Transport von Getreidesäcken über die schmalen Holztreppen der Häuser bis in den Speicher, vermittelten einen realen Eindruck über die körperliche Arbeit, die selbst Kinder schon zu bewältigen hatten.
Auch die Aufgabenverteilung innerhalb einer Großfamilie weckte das Interesse der Oberstufenschüler. So waren Frauen hauptsächlich für die Hausarbeit und Kindererziehung, Männer hingegen eher für die Feldarbeit und finanzielle Absicherung zuständig.
Des Weiteren stellte die Besichtigung der Häuser von Tagelöhnern ein Highlight dar. Spannend war hierbei vor allem der Vergleich von Großbauern, die über eigene Mägde, Knechte und große Landgebiete verfügten mit ärmeren Bürgern, welche zum Teil mit 13 Kindern in einem engen Haus lebten. Besonders eine Liegeprobe in den kleinen, harten Strohbetten zeigte eindrucksvoll die unkomfortable Wohnsituation zur damaligen Zeit.
Die Museumsführerin Marion Breunig, die die Gäste über die sozialen Verhältnisse in der Vergangenheit informierte, beeindruckte mit der These: „Liebe vergeht, Hektar besteht!“, denn anders als heute stellten Gefühle keinen Faktor für die Wahl des Ehepartners dar. Viel wichtiger war die finanzielle Sicherheit, die der Ehemann für die zukünftige Familie bieten konnte.
Da es einem gesellschaftlich niedrig gestellten Tagelöhner nahezu unmöglich war, in eine wohlhabendere Familie einzuheiraten, erwies sich der soziale Aufstieg als kaum möglich. Viel wahrscheinlicher war dafür die Verarmung, da der Tod des Familienoberhaupts oder eine Erntevernichtung durch ein Unwetter oftmals den Existenzverlust für die ganze Familie bedeutete. Für solche Fälle gab es ein Armen- und Gemeindehaus, das nicht nur vorübergehend mittellosen Menschen, sondern auch Kranken oder Inhaftieren in der Arrestzelle eine Unterkunft bot.
Mit der Erkenntnis, dass ein Leben in der heutigen, digitalisierten Welt mit beheizten Wohnungen und hygienischen Verhältnissen doch um einiges angenehmer ist als der Alltag unserer Odenwälder Vorfahren, reisten die Ausflügler mit zahlreichen Eindrücken im Gepäck wieder zurück in die Gegenwart und beendeten den Wandertag am Rippberger Bahnhof.
Malik Speth